Wie viele Hosen hast du in deinem Schrank? Wie viele T-Shirts, Pullover und Jacken? Und hast trotzdem oft das Gefühl nicht das Richtige zum Anziehen zu haben? Keine Sorge, damit bist du keineswegs allein. Wir sind beeinflusst von Medien und Werbung, wenn es um Kleidung geht. Kaum kann man aus dem Haus gehen ohne von einem Plakat daran erinnert zu werden, dass “neuer Herbst, neuer Mantel” Zeit ist und so weiter. Fast fashion hat unseren Kleiderkonsum in die Höhe getrieben und so ist es für uns inzwischen normal dass wir mittlerweise 12 (!) Kollektionswechsel pro Jahr in den Schaufenstern bestaunen dürfen.
Doch woher kommt die Klamottenschwemme? Wo wird sie produziert und von wem? Unter welchen Bedingungen für Arbeiter und Umwelt? Es ist allzu leicht für uns vor diesen schmerzhaften Fragen die Augen zu verschließen. Das Elend ist weit weg und leicht zu ignorieren.
Leicht fällt auch die Rechtfertigung “Immerhin werden in Entwicklungsländern somit Jobs geschaffen.” Doch die Niedriglöhne, fehlende Sicherheitsvorkehrungen, Arbeitsrechtsverletzungen und Kurzzeitverträge gehen damit leider einher. Eine Näherin verdient im Schnitt zwischen 0,4 und 1 % am Produktverkaufspreis mit. Was wir bezahlen, ist das Lifestyle Gefühl das uns Kleidung vermitteln will.
Unser Modeverständnis hat sich in den letzten Jahrzehnten tatsächlich verändert. War es für viele unsere Großeltern noch völlig normal, Kleidung auch selbst zu machen, findet man heute kaum noch heimische Schneidereien. Neben den Bedingungen für Arbeiter der Modeindustrie gibt es auch ökologische Fragezeichen. Pestizidbelastungen der Kleidung, Wasserverbrauch, Transport und Chemikalieneinsatz – es ist unheimlich schwierig zu bewerten welche Marken hier versuchen nachhaltig zu arbeiten.
Und warum schreiben wir hier auf Paleo360 darüber? Ganz einfach: weil es an der Zeit ist. An der Zeit den eigenen Konsum zu überdenken, nicht nur beim Essen. Nachhaltigkeit berührt alle Bereiche unseres Alltags.Wir haben keine Lust mehr auf Fast Fashion und die damit verbundene Ausnutzung von Ressourcen. Wir stellen uns also der Frage: Gibt es faire Fashion? Und was ist mit alternativen Konzepten wie Upcycling, Tauschen und Minimieren?
In diesem Artikel beschäftigen wir uns mit folgenden Ideen:
- Wie lässt sich Kleidungskonsum einschränken?
- Wie können wir unseren Kleidungskonsum nachhaltiger gestalten?
- Wo findet man Marken, denen man vertrauen kann?
Entschleunige deinen Kleiderschrank
Der erste Schritt ist oftmals der Entschluss. Keiner kann dir vorschreiben wie viel Kleidungsstücke du haben solltest und somit ist das anfangen ganz einfach:
Kaufe weniger ein
Wenn du das hier liest gibt es eine große Chance, dass dein Kleiderschrank bereits jetzt am Überquellen ist. Warum dann eigentlich noch mehr dazu kaufen? Am einfachsten betrittst du einfach keine Klamotten Länden mehr und ziehst stattdessen die Dinge an, die du sowieso hast. Klingt radikal? Fühlt sich eigentlich befreiend an. Wenn du “retail therapy” (oder auch: Frustkauf) regelmäßig in Anspruch nimmst, dann hinterfrage gerne mal warum du sie nötig hast, und ob du nicht lieber hier ansetzen könntest. Welches Bedürfnis befriedigst du wirklich wenn du immer wieder neue Klamotten kaufen möchtest und auch kaufst?
Frage dich beim nächsten T-Shirt / Kleid / Bluse: “Brauche ich das wirklich?”, “Kann ich mein Geld nicht sinnvoller investieren?” Die Antwort wird wahrscheinlich ziemlich offensichtlich sein…
Falls dir das anfangs schwer fällt: Wie wäre es mit einer 30 Tage Shopping-Detox Challenge. Bestimmt findest du eine Freundin die mitmacht. Am Ende geht ihr vom gesparten Geld Brunchen o.Ä. – wer weiß schon welcher Betrag hier zusammen kommen kann!
Setze auf das Prinzip der Capsule Wardrobe
Eine Capsule Wardrobe nimmt den Stress aus deiner Kleiderzusammenstellung. Das Prinzip ist einfach: Entscheide dich für eine Farbpalette die zu dir passt. Danach legst du dir die passenden Basics zurecht und ergänzt das Ganze mit 2 oder 3 “signature” Teilen. Nico und ich sind große Fans der Capsule Wardrobe, denn wir müssen einfach keine nervigen Entscheidungen mehr über unsere Outfits treffen. Tatsächlich rotiere ich nur noch 2 lange Hosen mit ein paar Basics, aufgelockert durch eine Strickjacke oder Bluse. Inzwischen gibt es ganze Bücher über die Capsule Wardrobe (auch bekannt als “Kleiderschrank Projekt”)
Tausche deine Kleider
Es gibt inzwischen viele tolle Möglichkeiten, Klamotten die man selber einfach nicht mehr mag, die aber noch “gut” sind an einen anderen glücklichen Träger zu bekommen – und selbst wieder neue Teile, die schonmal geliebt wurden, in den eigenen Look mitaufzunehmen. Bei Kleiderkreisel kannst du so z.B. deinen Kleiderschrank reduzieren. Der Second Hand Laden bei dir ums Eck ist bestimmt auch mal einen Besuch wert! Inzwischen haben wir auch schon von Kleidertauschparties gehört und der gute alte Flohmarkt ist natürlich auch immer spitze. Vielleicht hast du ja sogar mal Lust so eine Party mit deinen Freundinnen zu organisieren?
Wohnst du in einer WG? Oder hast eine gute Freundin / Schwester mit der selben Kleidergröße? Warum teilt ihr nicht einfach euren Kleiderschrank? Ihr verdoppelt sofort die Auswahl ohne etwas zu investieren.
Repariere und verändere
Findest du auch, dass wir heutzutage Kleidung viel zu schnell wegwerfen? Wenn ich zurückdenke: ich bin noch anders aufgewachsen. Meine Mutter nähte viele unserer Kleidungsstücke selbst. Hosen wurden geflickt, Nähte auch mal aufgetrennt und in einem neuen, passenderen Schnitt wieder zusammengenäht. Wenn ein Kleidungsstück wirklich “am Ende” war haben wir es zu Putzlappen zerschnitten. Heute, wo ein T-Shirt ab 5 € zu haben ist, lohnt sich selber machen eigentlich nicht mehr. Wie schade, da hier auch sehr viel kreatives Potential ungenützt bleibt. Es ist gar nicht so schwer, mit Nadel und Faden bestehender Kleidung einen neuen Look zu geben. Sei es durch Applikationen, Perlen oder zusätzlichen Taschen. Oftmals ist einfach ein Schnitt veraltet – aber der Stoff noch gut. Überlege doch mal was du Neues daraus machen könntest – vielleicht einen Kissenbezug, Teppich oder eine Tasche? Klar – Nähen ist nicht jedermanns Sache. Muss es auch nicht. Aber bevor du in Zukunft etwas wegwirfst, nur weil vielleicht der Reißverschluss kaputt ist – denke daran, dass du das auch Reparieren lassen kannst.
Sei nicht zu streng mit dir
Wie bei der Ernährung finden wir es auch beim Thema Kleidung wichtig nicht ins Extreme zu verfallen. Wenn dir ein Kleid von Zara nun mal super gefällt, dann gönn es dir auch einfach mal – bevor du genervt die Läden nach einer zertifizierten Bio-Alternative durchkämmst. Dieser Punkt ist nicht zu unterschätzen, ich wäre selbst fast mal in die “Perfektionismus” Falle getappt. Meine schwarze Jeans fiel auseinander und ich fand unter den Fair Trade Marken, die ich kenne keine gute Alternative. Fast 2 Monate habe ich mich immer wieder geärgert – und dann begriffen dass ich mit der Zeit für die Suche nach der Jeans lieber diesen Artikel hier schreibe und habe mir dann eben eine Levi´s Hose gekauft, da hier meine Größe eben leicht passt – eine Sache von 30 Minuten.
Nachhaltig einkaufen – die Tipps
Irgendwann kommt dann sicher wieder der Zeitpunkt – du willst dir etwas Neues zum Anziehen kaufen. Wie kannst du dein Shopping Verhalten nachhaltiger und fairer gestalten?
Beachte die richtigen Siegel
Aus dem Lebensmittelanbau kennt man sie bereits – die Bio-Siegel. Es gibt offizielle, es gibt aber auch Siegel, die sich Unternehmen selber basteln. In der Mode werden (wie bei den Lebensmitteln) dazu Begriffe jongliert, die nicht geschützt sind – “fair” oder “natürlich” sagt also noch nicht zwingend etwas zur Transparenz und Nachhaltigkeit der Marke aus. Wir haben hier aufgelistet, auf welche Siegel wir vorrangig beim Kleidungskauf schauen. Beachte aber auch: eine Zertifizierung ist teuer und aufwändig. Viele junge Marken erfüllen auch ohne Siegel hohe Standards. Frage im Zweifel immer nach!
GOTS (Global Organic Textile Standards)
Das GOTS Siegel ist wohl das Bekannteste der Branche. Es umfasst sowohl Umweltschutzkriterien als auch soziale Kriterien. Die Fasern von GOTS zertifizierter Kleidung stammen aus kontrolliert biologischem Anbau und es werden keine Chemikalien im Herstellungsprozess verwendet. Zu den sozialen Kriterien gehören Punkte wie die Einhaltung des Mindestlohns und keine Überschreitung der Arbeitszeiten. Mehr zum GOTS Siegel
FWF (Fair Wear Foundation)
FWF kümmert sich federführend um faire Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie. Keine Kinderarbeit, existenzsichernde Löhne, angemessene Arbeitszeiten und sichere Arbeitsverhältnisse werden regelmäßig überprüft. Mehr zum FWF Siegel
Fairtrade Certified Cotton
Dieses Siegel bietet derzeit den wohl höchsten sozialen Standard bei Baumwolle. Hier geht es um faire Mindestpreise für Kleinbauern aus Afrika und Asien. Daneben halten solch zertifizierte Hersteller grundlegende Öko-Standards ein. Mehr zum Siegel
Vermeide Chemikalien und achte auf natürliche Materialien
Es ist leider die Norm: Beim Herstellungsprozess gelangen eine Vielzahl an Chemikalien an das Kleidungsstück – ganz zu schweigen davon dass viele verwendete Fasern auch problematisch sein können. Wusstest du, dass dein Kleidungsetikett zwar Auskunft über die Art der Faser gibt, aber nicht darüber welchen Stoffen das Kleidungsstück beim Färben ausgesetzt wurde?
Siegel für chemiefreie Kleidung
Um dich hier zu schützen kannst du nach folgenden Hinweisen auf dem Etikett suchen. Wenn du von “bügelfrei”, “knitterfrei” oder “vor dem ersten Tragen waschen” liest kannst du davon ausgehen, dass das Teil belastet ist.
Es gibt auch hier Siegel, auf die du achten kannst. Die gängigsten sind OEKO-TEX® Standard 100 und IVN Best. So überprüft überprüft OEKO-TEX® fertige Kleidungsstücke auf Schadstofffreiheit, wie z.B. krebserregende oder allergieauslösende Stoffe, schaut sich allerdings den Produktionsprozess nicht an. IVN Best hingegen überprüft die gesamte Lieferkette nach Öko-Kriterien.
Materialien, die wir bevorzugen
Wir versuchen auf natürliche Materialien zu achten. Baumwolle, Leinen und Hanf wären komplett kompostierbar und damit kreislaufgerecht. Allerdings ist dieser Plan dahin sobald dem Kleidungststück Elasthan oder Polyester beigemischt sind. Beides ist nicht biologisch abbaubar und recyclebar. Einige Hersteller verwenden recyceltes Polyester dessen Herstellung weniger Wasser und Energie benötigen.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch das Waschen der Kleidung. Was bringt dir natürliche Bio-Kleidung wenn du sie dann mit Chemie wäschst? Wir haben Efeu Waschmittel für uns entdeckt. Da freut sich unsere Haut und die Umwelt. Beim Wäsche waschen in modernen Maschinen und bei leichter Verschmutzung reichen 30 Grad auch vollkommen aus. Denn das Aufheizen des Wassers verursacht beim Waschvorgang den höchsten Energiebedarf.
Marken denen wir vertrauen
Inzwischen haben wir einige Lieblingsmarken gefunden, bei denen wir gerne und mit gutem Gewissen einkaufen: hessnatur, recolution, armedangels und bleed findet sich inzwischen in unserem Kleiderschrank. Hier haben wir noch eine Aufstellung über Modelabels mit fairem Ansatz. Aber Achtung: es ist wenig nachhaltig jetzt zum Kleiderschrank zu rennen, alles nicht nachhaltig produzierte rauszuwerfen und mit “fairer” Mode zu ersetzen! Gehe achtsam mit deiner momentanen Nicht -Bio-Kleidung um. Trage deine bestehenden Klamotten auf bis sie nicht mehr zu verwenden sind und hol dir dann Stück für Stück neue Marken dazu.
Wenn du Neues kaufst, dann kaufe nur Kleidung die richtig gut sitzt und sich gut anfühlt. Mach hier keine Kompromisse!
Wo kann man faire Kleidung kaufen – die Karte
Gerne möchten wir mit euch zusammen eine Karte pflegen und erweitern auf die wir alle Läden eintragen, die faire Mode im Sortiment führen. Verratet uns in den Kommentaren wo man gut Kleidung kaufen kann, dann ergänzen wir die Karte nach und nach.
Wo kannst du dich weiter informieren
Dieser Artikel war nur ein kurzer Abriss über das Thema Fair Fashion. Wir haben gelernt, bei Mode auf Qualität statt Quantität zu setzen – so wie beim Essen. Für die Umwelt, die Arbeitsbedingungen der Beteiligten, aber auch für uns selbst.
Wer sich weiter informieren möchte, folgende Tipps haben wir für euch:
- Doku: The True Cost – bei netflix, amazon oder iTunes
- Buch: Anuschka Rees – Das Kleiderschrank-Projekt: Systematisch zum eigenen Stil und zu bewusstem Modekonsum. Bei amazon (oder nachhaltiger im Buchladen bei dir ums Eck)
- Buch: Tansy E. Hoskins Das antikapitalistische Buch der Mode. Bei amazon (oder nachhaltiger im Buchladen bei dir ums Eck)
Weitere Empfehlungen der Paleo360 Leser
Auf facebook und Instagram, sowie hier auf dem Blog überhäuft ihr uns mit euren persönlichen Favoriten zum Thema fair fashion. Hier die Liste der Marken, die ihr gerne nennt:
Jetzt sind wir gespannt auf deine Meinung: wie stehst du zur Mode?
Bewerte diesen Beitrag:
Danke für den Artikel :o)
Meine Empfehlung für Fulda:
schoen-und-gut.org
Guten Rutsch ins neue Jahr!
Grüße Jochen
Danke, dass ihr das hier zum Thema macht! Ein großer Bereich, mit dem sich soviel bewegen lässt :) sowohl bei Klamotten, aber auch bei Elektronik, Urlauben etc.
Da ich auch unter Perfektionismus leide, mag ich den Satz: der nachhaltigste Konsum ist gar kein Konsum. Damit fallen mir die meisten Entscheidungen viel leichter als früher…
Ein Freund von mir hat eine Plattform gestartet, bei dem alles um nachhaltigen Konsum geht: dharmadoo.com
Schaut mal rein ?
Liebe Katharina,
Danke für den Input. Wie Recht du hast… Klasse, dass sich inzwischen immer mehr Menschen mit dem Thema beschäftigen, weiter so und Daumen hoch!
Super Artikel! :)
Ich wüsste auch noch fair-fashion Läden, speziell in Münster (Westfalen). Beide führen unter anderem Marken wie armedangels, Kuyichi etc.:
Gruene Wiese
Frau Többen
In Hamburg:
hessnatur
Hansekind (Baby)
Wollleibchen (Kinder)
BMS (Ökotex 100)
Steiff (Ökotex 100)
Schöner Beitrag, aber:
Wieso geht es hier nur immer um Kleidung für Frauen? Ich fühle mich unterdrückt. Spaß beiseite.
Ich kann empfehlen Kleidubgsstücke aus tierischer Wolle (Merino, Shetland, Alpaka etc) zu verwenden. Das hat den Vorteil, dass man sie im Gegensatz zu Baumwolle einfach mal 1-2 Tage aufhängt (Balkon, Boden, kaltes Zimmer mit Frischluft etc) und sie ist wie neu.
Pullover werden so bei mir nur alle zwei bis drei Wochen. Ich habe nur 3 Stück.
Das spart Ressourcen verschiedenster Art. Energie, Wasser, Zeit…
Die Teile aus Baumwolle muss ich hingegen jede Woche waschen. Deswegen ziehe ich die ungern an.
Guter Punkt – sowohl bei der Männermode als auch beim Waschen. Tierische Wolle kann man in der Tat einfach Lüften. Und was die Männermode betrifft – die genannten Lieblingsmarken führen tolle Sachen für alle Geschlechter :-)