Ich habe es getan, als ich diesen Artikel geschrieben habe. Und die Chancen sind gut, dass du es gerade tust, während du ihn liest: Sitzen.
Wir sitzen im Durchschnitt 9,3 Stunden pro Tag: Bei der Arbeit, beim Essen, in der Bahn, im Auto oder auf der Couch. Das sind 65 Stunden in der Woche, ca. 3.400 Stunden pro Jahr und ca. 262.734 Stunden im Leben.
Das ist nicht nur ganz schön viel, sondern auch ziemlich ungesund. Umso wichtiger ist es dass wir wissen, wie wir richtig sitzen, wie wir uns vor gesundheitlichen Schäden durch das Sitzen schützen und welche Alternativen es dazu gibt. All das erfährst du in diesem Artikel.
Gesundheitliche Probleme durch Sitzen
Salopp formuliert könnte man sagen: Sitzen ist das neue Rauchen. Die Gefahr durch Sitzen ist nicht so deutlich und unmittelbar spürbar wie beim Rauchen, aber keinesfalls zu unterschätzen.
Die “sitzende Lebensweise”, ist mittlerweile in der Gesundheitsforschung ein anerkanntes Phänomen. In Europa sind 50 – 87 Prozent der Menschen davon betroffen und sitzen im Schnitt mehr als 7 Stunden pro Tag.
Sitzen schadet unserem Körper und kostet uns wertvolle Lebenszeit. Die Krux dabei: Langes Sitzen beeinflusst unsere Gesundheit, auch bei regelmäßigem Sport, negativ – und das sogar in ganz unterschiedlichen Bereichen:
1. Sitzen schadet dem Muskel-Skelettsystem
Ein gesundes Muskel- und Skelettsystem ist der Schlüssel für ein fittes und vitales Leben bis ins hohe Alter. Langes Sitzen schadet unseren Knochen, Wirbeln und Muskeln und führt zu einer Vielzahl von Erkrankungen. Osteoporose, Bandscheibenvorfälle und Haltungsschwächen sind nur ein Ausschnitt von möglichen Folgen, die uns in unserer Lebensqualität deutlich einschränken.
2. Sitzen verlangsamt den Stoffwechsel
Einem intakten Stoffwechsel wird eine funktionierende Verdauung vorausgesetzt. Sitzen verlangsamt die Magen-Darmtätigkeit, wodurch auch der Stoffwechsel negativ beeinflusst wird. Der Stoffwechsel hält unser inneres Gleichgewicht aufrecht. Ist er verlangsamt oder gestört resultieren daraus Stoffwechselerkrankungen. Diabetes steht, laut aktuellen Forschungen, in Zusammenhang mit langem Sitzen.
3. Sitzen verschlechtert die Durchblutung
Herzkreislauf-Erkrankungen, Thrombose und Krampfadern können mögliche Folgen für Vielsitzer sein. Sitzen wir über einen längeren Zeitraum kann die Blutzirkulation ins Stocken geraten, was die Versorgung unseres Körpers mit Nährstoffen und Sauerstoff beeinträchtigt.
4. Sitzen verhindert den Abbau von Stresshormonen
Sitzen wirkt sich nicht nur auf körperliche Erkrankungen aus, sondern auch auf unsere Psyche. Durch fehlende Bewegung können Stresshormone nicht ausreichend abgebaut werden. Ein bestimmtes Level an Stresshormonen ist gut für uns und fördert unsere Aufmerksamkeit. Wird das Maß an Stresshormonen überschritten, führt das aber zu Leistungsminderung, Stimmungs-Schwankungen bis hin zu psychischen Erkrankungen.
5. Sitzen macht uns dick
Diese Rechnung ist ganz einfach: Je mehr wir uns bewegen desto höher ist unser Energieumsatz. Ein erhöhter Energieumsatz führt dazu, dass mehr Kalorien verbrannt werden. Etwas vereinfacht gesagt: Führen wir mehr Kalorien zu uns, als unser Körper zur Energiegewinnung benötigt, werden wir dick (Zu- und Abnehmen ist streng genommen mehr als Energieüberschuss bzw. -defizit – auch die Art der Nährstoffe ist entscheidend). Da Sitzen weniger Kalorien verbrennt und die Ausschüttung eines Enzyms, welches maßgeblich am Fettabbau beteiligt ist, verringert, fördert Sitzen die Entstehung von Übergewicht.
6. Active Couch Potato Syndrom
Manche Menschen wollen dem vielen Sitzen durch Sport entgegen wirken. In den USA spricht man vom „Active Couch Potato Syndrom“. Die bezeichnet jene Menschen, die jeden Tag stundenlang sitzen, dann aber versuchen dieses durch intensive sportliche Betätigung wieder auszugleichen. Aber durch das viele Sitzen verkümmern unsere Muskeln und verkürzen sich unsere Bänder. Wenn wir dies also durch intensive Sportarten an der Leistungsgrenze ausgleichen wollen, führt dies nicht allzu selten zu schwereren Verletzungen. Unsere Körper sind die Bewegung und die Beanspruchung einfach nicht mehr gewohnt.
7. Wer viel sitzt, sitzt noch mehr
Und das schlimmste von allem: Weil der Mensch ein Gewohnheitstier ist, ist das Sitzen ein selbst verstärkendes Verhalten. Will heißen: Wer bei der Arbeit viel sitzt, der hat auch die natürliche Tendenz, seine Freizeit im Sitzen zu verbringen – und so multiplizieren sich die negativen Folgen durch das Sitzen noch weiter.
Nur Stehen ist auch nicht viel besser
Doch was ist die Lösung für dieses Problem? Sollen wir uns jetzt alle einen Stehschreibtisch anschaffen und statt im Sitzen in Zukunft nur noch im Stehen arbeiten?
So einfach ist es leider auch nicht. Denn auch lang anhaltendes Stehen ohne Bewegung ist für unseren Körper nicht gesund und kann negative Folgen haben, bspw. Anschwellen der Füße, Venenprobleme oder Rückenschmerzen.
Die Lösung: Richtig Sitzen, Stehen & Bewegen
Die Wurzel des Übels liegt woanders: Unser Körper ist dafür gemacht, sich zu bewegen – und nicht dafür, stundenlang still in ein und derselben Position zu verharren. Das leuchtet gerade aus Paleo-Sicht sofort ein: Unsere Vorfahren waren schließlich Jäger und Sammler, die einen Großteil ihres Tages zu Fuß unterwegs auf der Suche nach Nahrung verbrachten.
Deshalb ist es auch für uns wichtig, unseren Körper durch regelmäßige Abwechslung und körperliche Aktivität auf Trab zu halten.
Das fängt schon damit an, dass Du Dir richtig Sitzen angewöhnst: denn auch sitzen kann man aktiv. Statt im bequemen Bürosessel mit weicher Lehne zu versinken, mit rundem Rücken und ohne Spannung, solltest Du gerade sitzen: Schultern zurück, Brust raus – so lautet die Devise. In der aufrechten Sitzposition ist dein unterer Rücken leicht angespannt und gewölbt.
Und weil der Bürosessel dazu verleitet, gerade nicht so zu sitzen, kannst Du Dir überlegen, auf eine Alternative umzusteigen: Das Sitzen auf einem Sitzball oder einem Hocker ohne Lehne sorgen automatisch dafür, dass Du nicht in die ungesunde Haltung verfällst. Und wenn es der Arbeitsplatz zulässt, gilt das gleiche für das Sitzen im Schneidersitz auf dem Boden. All diese Haltungen fördern richtiges Sitzen, bei dem die Rückenmuskulatur aktiv ist. Mehr Ideen (und Bilder von uns beim Sitzen) gibt es im Artikel Sitzen in Bewegung.
Und wenn Du es schaffst, das mit regelmäßiger Abwechslung durch Gehen und Stehen kombinierst, hast Du das Nonplusultra erreicht. Die folgende Abbildung zeigt dir, wie vielfältig Ruhepositionen sein können und sollen:
Tipps für mehr Abwechslung und Bewegung im Alltag
Doch wie schafft man es, sich im Alltag tatsächlich diesem Ideal anzunähern – und nicht doch einfach 8 Stunden am Bürotisch zu sitzen? Um Dich dabei zu unterstützen, hier ein paar Tipps:
- Fahre mit dem Fahrrad zur Arbeit oder gehe zu Fuß, statt mit Auto oder ÖPNV zu fahren. So gibst Du Deinem Körper schon morgens einen Aktivimpuls und stärkst in der kalten Jahreszeit zusätzlich noch Dein Immunsystem.
- Nutze jede Arbeitspause für Bewegung. Um Deine Konzentrationsfähigkeit zu erhalten, solltest Du ohnehin jede Stunde ein Pause von 10-15 Minuten einlegen. Statt diese mit Surfen im Internet zu verbringen, nutze die Gelegenheit um einen kleinen Spaziergang zu machen oder Dich zu streichen
- Richte in Deinem Büro einen Arbeitsplatz mit Stehtisch oder Stehpult ein. Es muss gar nicht gleich die teure höhenverstellbare Variante sein. Ein einfaches Pult oder ein paar Boxen unter den Tischbeinen tun es auch. So hast Du die Möglichkeit, zwischendurch den Arbeitsplatz zu wechseln und dem Körper Abwechslung zu geben
- Walking Meetings sind DER neue Trend. Warum in einem stickigen Konferenzraum sitzen, wenn man genauso gut im freien Brainstorming kann? Die frische Luft regt zusätzlich das Gehirn an und das Gehen nebeneinander hilft gemeinsam Probleme zu identifizieren die „vor einem liegen“. Dank Smartphones ist das Festhalten von Notizen via Tastatur oder Sprachnotiz auch keine allzu große Herausforderung mehr
Fazit – Richtig Sitzen ist gar nicht schwer
Wer viel sitzt, ob berufsbedingt oder im Alltag, ist einem erhöhten Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Zum Glück kannst Du diesen Risiken recht einfach begegnen: Richtig Sitzen, Bewegung und Abwechslung sind die Lösung!
Schon kleine Bewegungspausen zwischendurch tragen maßgeblich zur Erhaltung unserer Gesundheit bei. Das kann der Gang zum Kopierer sein, ein Telefonat im Stehen, Treppensteigen statt Aufzug fahren oder ein kurzer Spaziergang.
Nicht umsonst lautet unser Motto: Eat, Move, Sleep, Feel. Mit dem Paleo-Lifestyle steigerst du Dein Bewusstsein für eine nachhaltige und gesunde Lebensführung – und das fängt, wer hätte es gedacht, schon beim richtigen Sitzen an.
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“Sitzen ist das neue Rauchen!” Jeder der einen Bürojob hat, sollte sich mit dem Thema auseinandersetzen.
Ja – wir haben hier auch eine differenzierte Meinung dazu, gerne hier nachlesen: https://www.paleo360.de/lifestyle/sitzen-in-bewegung/ … Sitzen prinzipiell ist nicht das Problem. LG, Anja
Hey,
vielen dank, dass Ihr diesen Artikel geschrieben habt! Ich habe durch das ständige sitzen sehr starke Hüftprobleme bekommen und mein unterer Rücken schmerzt jetzt auch.
Die Walking Meetings sind der hammer! Die Bewegung an der frischen Luft tut wahnsinnig gut im getressten Alltag. Diese Idee kann ich wirklich jedem empfehlen!!
LG macht weiter so!
Klasse, schön dass wir dich inspirieren konnten! Immer schön weiter gehen :-)
Ein sehr hilfreicher Artikel!
Ich bin vor kurzem von meinem Schreibtischstuhl auf einen Gymnastikball umgestiegen (wie in diesem Artikel erwähnt) und siehe da, die Haltung verbessert sich und es fühlt sich auch besser an. Außerdem nutze ich meine Pausen für genügend Bewegung.
Ich kann dazu nur von Herzen die Gokhale-Methode empfehlen: Dabei geht es darum, was überhaupt eine gesunde Körperhaltung ist (wir war das teilweise gar nicht klar) und wie man wirklich machbar im Alltag dahin kommen kann.
Das Buch zur Methode heißt “Nie wieder Rückenschmerzen”. Viel Spaß dabei!
:) ganz tolle Methode, lese es auch gerade und gehe anscheinend zum ersten mal richtig :-O Muskelkater im Gluteus
Schöner Artikel. Hatte selber lange mit diesem Problem zu kämpfen und solange ignoriert, bis sich irgendwann meine Bandscheiben gemeldet haben..
Seitdem stell ich mir am Schreibtisch immer einen Timer auf eine Stunde und dann gönn ich mir immer 5 Minuten Pause, wo ich nur durch den Raum laufe und paar Mobility Übungen machen.
Sitzen auf einem Gymnastikball kann auch etwas helfen die Muskulatur zu entlasten!
Danke für die Tipps, Jim :) Wünsche dir weiterhin schmerzfreies stehen, sitzen und bewegen! LG, Anja
Hallo,
was ist denn mit Mönchen die jeden Tag stundenlang in Meditationshaltung sitzen? Die sind meistens schlank und kerngesund.
Das ist wahr. Für die Einen “leider”… dorch rückblickend auf unsere Ahnen der Steinzeit heißt Bewegung nicht im Büro 20x zum Kopierer laufen sondern aktives sich fortbewegen über Kilometer (ab 10 braucht man erst darüber nachdenken). Sei es laufen, gehen, rennen, kriechen, radeln, schwimmen, was auch immer. Ach ja, wenn´s weh tut dabei, dann kommt es,… ja vom sitzen :-(
Oh man, ich muss sofort runter vom Sofa und mal wieder eine Runde um den Blog(ck) laufen – schöner Tritt in den Hintern – danke! :)
Na toll… da habe ich als Querschnittsgelähmte und daher im Rollstuhlsitzende ja die richtige A* Karte gezogen.
Ja Jana, das hab ich mir auch grad gedacht. Ich finde es echt scheisse, dass man immer nur hört, dass man viel Laufen soll usw. Kann halt nicht jeder:-)
Das stimmt, ein paar Quellenangaben bzw. Begründungen könnten nicht schaden. Man kann’s natürlich auch so glauben.
Vor kurzem war ja auch in den News auf Strunz.de ein ähnlicher Artikel…
Der Artikel ist ein wenig kurz. Wie fördert Sitzen Krebs? Wieviel soll ich mich bewegen? Vielleicht bleiben Gamer oder Mitarbeiter eines Call-Centers Stunde um Stunde sitzen. Aber selbst im Büro muß ich immer wieder aufstehen.
PS: Sedentariness ist ein englischer Begriff. Ich spreche viel englisch. Aber das mußte ich nachsehen. Wurde bei Leo mit Sesshaftigkeit übersetzt.
Liebe Beatrix,
vielen Dank für dein Feedback. Mein nächster Gastartikel wird sich mit dem Thema “Bewegung” genauer beschäftigen. Darin werden sich dann die Fragen zur Bewegung sicherlich klären.
Es gibt viele Studien, die herausgefunden haben, dass Menschen, die viel Sitzen höhere Entzündungswerte im Darmbereich aufweisen, welche das Krebsrisiko fördern. Über die genauen Gründe, habe ich bisher nichts gelesen. Kann in diesem Gebiet gerne nochmal auf die Suche gehen, um eine mögliche Antwort auf das “Warum” zu finden. Leider, kennt auch die Forschung nicht für jedes Thema die genaue Ursache.
Sedentariness ist ein, in der Wissenschaft, anerkannter Begriff, wenn es um den Sitzenden Lebensstil geht.
Ich hoffe, ich konnte deine Fragen/Anmerkungen soweit aufklären. Wünsche dir einen schönen Tag,
Liebe Grüße
Lisa