Dies ist ein Artikel unseres Gastautors und “Barfuß-Experten” Marco Montanez.
Fashion or Function?
Es ist kein Zufall, dass zivilisierte Menschen, wenn sie nach Hause kommen, sich zu erst ihrer Schuhe entledigen.
Die Mode diktiert und Sportartikelhersteller bewerben in hoher Frequenz und mit großem Aufwand die neuen, besseren und revolutionären Eigenschaften ihrer Schaumstoff-Boliden. Das Wettrüsten in puncto Dämpfung und Stabilität hat im Rückblick vermeintlich sportliche Spitzenleistungen unterstützt, inwiefern aber die kenianischen Läufer, südamerikanischen Fussballprofis und nordamerikanischen Basketballspieler das ihren Schuhen zu verdanken haben bleibt unklar. Klar ist nur eins, High-Tech unter den Füßen hält sie und ihre Nachahmer nicht davon ab, sich zu verletzen, denn in unserem Streben nach schneller, höher und weiter vereint, gibt die Technologie den Takt vor, den unser Körper nicht mithalten kann.
Schuhe nehmen uns Wahrnehmung und lassen unseren extrem leistungs- und anpassungsfähigen Körper ohne die so wichtigen Informationen über die Fußsohle in sein Verderben rennen. Wie bei einem modernen Auto, das mit ESP und ABS permanent über wirkende Kräfte an allen vier Rädern informiert wird und im Grenzbereich regulierend eingreift. Bei 30km/h ist es kein Problem die Assistenten auszuschalten, für ungeübte Fahrer kann es bei 180 km/h kritisch werden, ohne ausreichende Informationen zu fahren und regulieren zu können.
Maximaler Schutz bei maximaler Wahrnehmung
Dabei waren Schuhe nicht immer schlecht. Der Ursprung menschlichen Schuhwerks liegt knapp 40.000 Jahre zurück und ist darin begründet, dass es für den zweibeinigen Dauerläufer durchaus Sinn machte, die extrem empfindliche und verwundbare Fußsohle gegen Verletzungen durch Steine, Dornen, Kälte und Hitze zu schützen. Andere Menschen erschlossen sich extrem kalte Polarregionen und mussten ihre Füße gegen Kälte und Erfrieren schützen. Probates Mittel waren Hüllen aus Fell, die neben dem Schutz der Fußsohle auch Schutz gegen Kälte boten.
Form follows Function
Schuhe erfüllten also einen Zweck, Schutz gegen Verletzung und Schutz gegen Kälte oder Hitze. Das Prinzip war aber immer, dass die Form der Schuhe, sich der Form der Füße anpasste. Heute ist das anders. Der Fuß muss sich der Form der Schuhe anpassen. Egal ob Sportschuh, Ballerina oder High Heel, keins dieser Modelle erfüllt funktionale Kriterien. In geradezu menschenverachtenden Manier ignorieren diese Schöpfungen der Schuhdesigner die Anatomie unsere Füße. Das Ergebnis ist deutlich sichtbar in Form der schiefen Großzehen, Hallux Valgus und weiteren nicht angeborenen Deformationen wie Senk-, Platt- oder Hohlfuß oder Fersensporn. Diese Behinderungen sind unter natürlich lebenden, nicht Schuhe tragenden Menschen fast gänzlich unbekannt. Die Folge der Einschränkungen und Deformationen im Fundament bleiben nicht ohne Wirkung auf die Körpergeometrie, Muskelketten und Gelenkstellungen. Sprunggelenk, Knie, Hüfte und Rücken leiden unter der mangelhaften Bodenplatte, ähnlich wie ein Haus auf schiefem Fundament.
Deswegen hier meine 5 guten Gründe keine Schuhe zu tragen:
1. Absatzsprengung
Die erhöhte Ferse im Vergleich zum Vorfuß ist ein modisches Relikt und eine Katastrophe für unsere Körpergeometrie, da wir, um nicht umzufallen, in Knien, Hüfte und Lendenwirbelsäule kompensieren müssen und weder Muskelkette und fasziale Strukturen effizient arbeiten können noch Gelenke in Reihe stehen.
2. Fehlende Passform
Wie bereits erklärt entspricht der moderne Schuh nicht der Form unserer Füße. Das Resultat sind Missbildungen und Schmerzen, hervorgerufen durch Einschränkungen im großen Zeh, Plantarsehnen und Sprunggelenk.
3. Zu viel Schonung durch das Fußbett
Unsere Füße werden zu Tode geschont. Statt sie artgerecht zu belasten, wie es Mutter Natur, der liebe Gott oder die Evolution vorgesehen hatten und das geniale System aus Längs- und Quergewölbe zu belasten, lassen wir unsere Füße verkümmern und schlafen.
4. Zu starke Dämpfung
Das einzige was die Schichten von Schaumstoff und Plastikmüll dämpfen, sind Wahrnehmung und Kraftübertragung. Es ist unmöglich, effizient die Kraft in den Boden zu übertragen und gemäss actio reactio Bewegung zu erzeugen, wenn ich eine Turnmatte unter der Schnittstelle trage.
5. Falsch konstruierte Zehenbox
Nicht nur die spitze Form der Schuhe ist ein Problem, sondern auch das permanenten Anheben der Zehen führt zu Verkürzungen und zur völligen Funktionlosigkeit, wenn es darum geht, über den großen Zeh zu stabilisieren, abzurollen oder den Impuls zur Fortbewegung in den Boden zu übertragen.
Also, öfter mal die Schuhe aus oder auf passende Barfuß-Schuhe ausweichen.
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Im letzten November habe ich mir “leguano”-Barfußschuhe gekauft. Ich habe vorher lange überlegt aber dann doch den stolzen Preis in ein paar “Socken” investiert. Bedingt durch Fußfehlstellungen, hallux und Problemen nach einem Beinbruch hatte ich zu diesem Zeitpunkt in allen Schuhen – sogar in den Pantoffeln – Einlagen. Ich habe die Classic gewählt, da die den meisten Halt boten und da ich überwiegend zu Hause bin, hatte ich kein Problem mit dem Aussehen. Nach ein paar Tagen schmeiß ich die Einlagen raus und in diesem Jahr habe ich in den neuen leguano investiert. Auch wenn es eine Preisklasse ist, die gut überlegt sein will, ich habe es nicht bereut. Meinen Füßen geht es gut, keine Schmerzen mehr in den Beinen und das Gleichgewichtsgefühl verbessert. Man hat halt keine Garantie auf Verbesserung – mir aber hat der Schritt über meinen Schatten sehr geholfen und wenn es die Situation erfordert kann ich heute auch mal schicke Schuhe tragen – stundenweise.
Zufällig hab ich vor einer Woche angefangen mit meinem Hund barfuß spazieren zu gehen. Momentan geht es noch ganz ohne Schuhe aber ich schätze wenn es im Winter kälter wird schaue ich mich auch mal nach Barfußschuhen um
schwieriges thema! Ich selbst empfehle meinen Patienten ab und zu mal barfuß zu gehen weil wie bereits beschrieben durch Schuhe auch viele Beschwerden entstehen können. Insbesondere der proprioceptive Aspekt spielt hier eine wesentliche Rolle. Die Stoßdämpfer Thematik kann ich nur bestätigen. Unser Körper verfügt über viele anatomische Stoßdämpfersysteme ( Meniscen, Bandscheiben ) diese Systeme bauen ab wenn sie nicht richtig verwendet werden ( use it or lose it)
Andererseits muss man leider dazu sagen, dass wir über die vielen Jahrhunderte der Evolution unsere einst so natürlichen Mechanismen und Systeme komplett “versaut” haben ( zb durch das tragen von schuhen! ). Heutzutage sind dahingehend bereits eine vielzahl der menschen darauf angewiesen, weil ihre systeme nicht mehr ausreichend funktionieren!
Ich ziehe die Schuhe aus wann immer ich kann, auch im Büro wenn irgendwie möglich.
Und neben allen möglichen blöden Sprüchen über Käsefüße werde ich dauernd ausgelacht wenn ich sage, ohne Schuhe kann ich mich besser konzentrieren!
Das freut mich ja sehr, dass ich hierzu etwas auf der Homepage finde!! Ich bin eher neu in Sachen Paleo, aber seit über einem Jahr begeisterte Trägerin von den Barfußschuhen Leguanos. Die finde ich persönlich angenehmer als Vibram, vor allem an den Zehen und die Sohle ist auch flexibler. Ich trage sie eigentlich meistens, außer auf der Arbeit, wo ich feste Schuhe vorgeschrieben habe. Zur Dämpfung kann ich nur sagen, dass man sich mehrere Wochen bis sogar Monate daran gewöhnen muss, da die Muskulatur sich schon sehr umstellen muss. Aber mittlerweile sind auch komplette Tage “barfuß” kein Problem mehr. Von meiner Seite sehr empfehlenswert!! Und: ich dachte erst, dass bestimmt viele schauen, aber die Resonanz kommt entweder gar nicht, weil es nicht auffällt, oder ist durchweg positiv!!
Ich stimme soweit zu. Es braucht Zeit aber es braucht auch Wahrnehmung. Sinnvoll ist es, statt mit immer weniger Dämpfung zu stehen, gehen und zu laufen, den Umfang der Belastung zu reduzieren. Gemäß der natürlichen Hierarchie der Bewegung, so wie wir einst Bewegung erlernten, erst wenig und dann immer mehr Zeit auf den Beinen zu verbringen. Aber eben so natürlich wie möglich. Die Angst vor Asphalt und Beton ist unbegründet, denn auch unsere Vorfahren wandelten nicht ausschleißlich auf Sand, grünen Wiesen und weichem Mutterboden, sondern so wie auch heute noch in einigen Regionen der Welt, wo Menschen noch artgerecht leben können, bewegten sie sich auf ausgetrampelten Pfaden, die nicht weniger hart sind als Asphalt.
Unsere Füße brauchen den harten Untergrund gerade zu, um ihre Fähigkeiten zur optimalen Dämpfung und Impulsübertagung zurückzugewinnen. Es geht also um Weglassen, nicht nur Dämpfung sondern auch km.
Angst vor Beton und Asphalt….. Es ist nicht die Härte des Bodens, die Probleme macht, wenn wir auf Beton oder Asphalt gehen, sondern das Fehlen von Unebenheit. Die plattgewalzten Straßen zwingen den Füßen eine monotone Fußbewegung auf. Einzelne Muskelpartien kommen kaum, die anderen zu viel zu tun. Es kommt zu einer Disharmonie des muskulären Systems. Meinen Beobachtungen zufolge ist der dorsale Knickfuß die häufigste Fußdeformation (Selbstdiagnose: Schuhe ansehen, wenn Absätze außen mehr abgelaufen sind). Da hilft auch Barfußlaufen zu Hause nicht, denn auch dort sind die Böden eben.
Statt passiver Stützen und die Stoßdämpfenden Schuhe sollte den Menschen ein Training für eine Gangbildumstellung angeboten werden. Wenn wir “mit dem Kopf” gehen, können wir mit der plattgewalzten Umgebung zurecht kommen.
GRATULIERE zu den Artikeln!
Vielen Dank für diesen Beitrag! Ich habe dazu ein paar Anmerkungen und Fragen (kann gerne diskutiert werden):
Leute mit Fußfehlstellungen, die evtl. auf Einlagen angewiesen sind, müssen mit dem Barfußlaufen aufpassen. Ein Zuviel kann da unter Umständen eher schaden als nützen. Um die Vorteile des Barfußlaufens genießen zu können, muss man da einen gesunden Mittelweg finden und erst klein anfangen. Füße und Bewegungsapparat brauchen Zeit, um sich daran zu gewöhnen. Aber das gilt auch für Menschen ohne Fehlstellungen.
Wichtig ist es auch, die Fehlstellungen so aktiv wie möglich auszugleichen, indem man gezielt die Fußmuskulatur trainiert (was ja auch beim Barfußlaufen passiert). Das ist aber sehr langwierig und erfordert Geduld.
Dann würde ich auch gerne wissen, wie das mit dem Barfußlaufen und Asphalt aussieht. Unsere barfüßigen Vorfahren kannten ja so einen harten Untergrund ja nicht. Ich denke, da muss mindestens sehr vorsichtig ran gehen und den Bewegungsapparat langsam daran gewöhnen. Oder sollte man Abstand davon nehmen?
Nach einigem Suchen habe ich mit Filzpantoffeln im Winter und Esparilles im Sommer gute Hausschuhe gefunden. Aber ich bin immer noch auf der Suche nach bezahlbaren, einigermaßen hübschen, warmen Barfuß-Schuhen für Frauen, die ich auch im Büro anziehen kann.
PS: Hatte noch nie Schuhe mit Dämpfung.
Sorry, muss http://www.senmotic-shoes.eu heißen.
Hi Beatrix,
ich trage seit mehreren Jahren nur mehr Schuhe von Vivobarefoot, in der Freizeit, in der Arbeit und auch beim Laufen (da im Wechsel mit Schuhen von Inov-8).
Ich hatte noch nie Probleme, weder im Sommer noch im Winter!
Zu Punkt 4 eine Frage: Etwas Dämpfung sollte es schon haben oder? Heute haben wir ja ausschliesslich Asphaltboden überall und ohne etwas Gummi haut es einem immer auf den Rücken?!
Moin,
Bei gesunden Menschen übernimmt dein Bewegungsapparat die Dämpfung. Dazu ist aber ein natürlicher Lauf-/Gehstil erforderlich. Gib dazu viele Infos im Netz.